Europäische Medien und ihre verfälschten Ansichten über die Türkei

RAMAZAN AKTAŞ @rmznktsOfficial
WIEN, Österreich
Veröffentlicht 18.12.2018 00:00
Aktualisiert 18.12.2018 17:21

In letzter Zeit höre ich von vielen Politikern im deutschsprachigen Raum die sloganartige Aussage: „Bei uns in Europa genießen die Euro-Türken die Demokratie, aber in ihrer Heimat wählen sie einen Diktator". Die Medien versuchen dies zu untermauern, indem sie Menschen mit türkischem Migrationshintergrund einladen, die nicht wirklich den Großteil der türkischstämmigen Bevölkerung repräsentieren.

Bei den vergangenen Wahlen in der Türkei haben über 60 Prozent der Euro-Türken für Präsident Recep Tayyip Erdoğan gestimmt - in manchen Ländern sogar über 70 Prozent. Die meisten Euro-Türken mussten ihre Heimat vor ca. 50 Jahren aufgrund wirtschaftlicher Probleme verlassen. Diese erste Generation der türkischen Gastarbeiter weiß noch ganz genau, wie die Türkei vor 50 Jahren war. Ihren Traum bildet seither eine Türkei, die größtenteils von wirtschaftlichen und politischen Problemen befreit ist – ähnlich wie Deutschland. Diesen Menschen vorzuwerfen, dass sie einen Diktator wählen, ist wirklich lächerlich. Genau diese Menschen sehen heute den größten Unterschied zur damaligen Türkei, die sie verlassen mussten.

Interessanterweise kommt kaum einer dieser Türkeistämmigen zu Wort, die bereits ein halbes Jahrhundert in Europa leben und eine konträre Meinung zum Thema Erdoğan und die Türkei äußern. Kaum einer fragt diese Menschen, warum sie Erdoğan unterstützen oder wieso sie die Anti-Terror-Operation der Türkei in Syrien befürworten. Angesichts dessen gleicht dies alles einer vielschichtigen medialen Wahrnehmungsoperation gegen die Türkei.

In den deutschsprachigen Medien attackieren selektiv herbei georderte Türkeistämmige die türkische Regierung mit subjektiven Behauptungen und Verallgemeinerungen. Eine davon ist Seyran Ateş. Zunächst wurde sie zum Thema „Gewalt gegen türkische Frauen" als Rechtsanwältin bekannt gemacht. Wenn es um die türkische Politik geht, wird sie als „Türkei-Expertin" präsentiert. Aktuell tritt sie beim Thema „Islam" als Imamin auf die Bühne. Ich als österreichischer Journalist mit türkischen Wurzeln werde jedoch medial immer wieder als Erdoğan-Anhänger etikettiert. So was bezeichnet man dann in Europa als objektiven Journalismus.

Seyran Ates behauptete letztens bei einer Sendung, dass die Türkei immer mehr zum radikalen Islam tendiere. Frauen ohne Kopftuch hätten angeblich keine Chance im Berufsleben. Nach solchen medial verbreiteten Behauptungen ist ja klar, dass die meisten Europäer nichts Positives über Erdoğan denken. Aber ich gebe gerne ein persönliches Beispiel. Meine Eltern leben seit über 40 Jahren in Österreich. Meine Mutter und meine Frau tragen ein Kopftuch - aber meine Schwester nicht. Wir haben auch kein Kopftuchstreit in der Familie. Meine Schwester hat zudem in Wien Medizin studiert und arbeitet jetzt in der Türkei als Ärztin - also ohne Kopftuch. Sie meint, dass das Gesundheitssystem in der Türkei fortgeschrittener sei und sie werde zudem besser bezahlt als in Österreich.

Deutsche - von denen kaum einer jemals in Anatolien war - möchten ihre eigene Gesellschaft mit reichlich politisch gefärbten Fake-Fakten überzeugen. Auch die Medien spielen hier mit. Die an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen werden dann in der Boulevardpresse ausgeschlachtet. Denn Schlagzeilen über die „Türkei" und „Erdoğan" lassen sich immer gut verkaufen.

Doch sie erkennen nicht, dass die heutige Türkei nicht mehr die alte Türkei ist - und auch die Euro-Türken sind nicht mehr die gleichen vor 50 Jahren.

*Ramazan Aktaş ist aHaber-Korrespondent in Wien.

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