Europa wollte die Türkei nie in der Union

MERYEM GÖKA @meryemgoka
Veröffentlicht 27.11.2016 00:00
Aktualisiert 30.11.2016 16:54

Die EU, die ihre Vorbildrolle eingebüßt hat, ist wegen der Flüchtlingskrise zum Bittsteller gegenüber der Türkei geworden. Da die Türkei eine geopolitisch zentrale Rolle spielt, braucht die EU und ihre Mitgliedsstaaten die Türkei als Partner, und das nicht nur in der Flüchtlingskrise, sondern auch im Kampf gegen die Terrororganisation DAESH und für eine Lösung des Syrienkonflikts.

Wie erwartet hat sich das EU-Parlament für ein ‚Einfrieren der Beitrittsgespräche' mit der Türkei ausgesprochen. Ob die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten der Forderung des Parlaments folgen, ist eine andere Frage. Denn die Resolution hat nämlich keine bindende Wirkung. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte schon zuvor davor gewarnt, den Gesprächsfaden zwischen Ankara und der EU nicht abreißen zu lassen.

Staatspräsident Erdoğan hatte bereits vor der Abstimmung die Resolution für wertlos erklärt. Auch der türkische EU-Minister warf Europa ‚unkluge Debatten ohne Vision' vor.

In der Türkei hingegen herrscht schon lange das Gefühl von Europa im Stich gelassen zu werden. Die Enttäuschung, nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli nicht mehr Unterstützung von Europa erhalten zu haben, ist groß. Obwohl die Türkei sich wie kaum ein anderes Land angesträngt hat, alle Bedingungen für den EU-Beitritt zu erfüllen, erhält sie jetzt von Teilen der EU nur Drohungen, Beleidigungen und Blockaden.

Was kann man nach 53 Jahren des Wartens vor den Toren der EU eigentlich noch erwarten? Schon immer wurden die Hürden für eine Aufnahme der Türkei so hoch gehängt wie bei keinem anderen Kandidaten.

In einem Kommentar wirft der ARD-Korrespondent Ralph Sina der EU vor, mit den sogenannten Beitrittsverhandlungen eine ‚Farce' aufzuführen. „Nicht im Traum hat die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs und die Mehrheit im EU Parlament jemals während dieser Beitrittsverhandlungen seit deren Beginn 2005 ernsthaft daran gedacht, die Türkei aufzunehmen."

Die Zeiten, in denen die Türkei als Bittsteller nach Europa kam, sind vorbei.

Das türkische Volk ist diese Hinhaltetaktik, Doppelmoral und Scheinheiligkeit der Europäer leid.

Die ‚Hüter' der Demokratie und Menschenrechte haben schon lange durchblicken lassen, welche Art von Politik sie betreiben, wenn es um die Türkei geht.

Wie auch ein Bericht der ‚Bundeszentrale für politische Bildung' vom 11.9.2009 zeigt, wurde die AK-Partei und die türkische Republik zu Anfang als ein Vorbild für die arabische Welt gezeigt. Seitdem aber Staatspräsident Erdoğan eine starke unabhängige ‚Neue Türkei' aufbaut und als Regionalmacht eigene Interessen durchsetzt, geht er für viele zu weit. In diesem ‚Game of Thrones' ist nur eine kleine, schwache und gefügige Türkei für den Westen akzeptabel.

Die Gezi-Proteste 2013 waren ein Versuch Erdoğan zu stürzen. Die sogenannten Korruptionsermittlungen gegen AK-Partei Funktionäre waren ein weiterer Versuch ihn auszuschalten;

Zeit online -3. April 2014: „Warum lieben Ihn die Türken?"

Es wurde berichtet, dass Erdoğan trotz der angeblichen Korruptionsaffäre, trotz der Gezi-Proteste die Kommunalwahlen mit 45,6% gewonnen hat.

„(…)Und Er gewann! In Europa schüttelt man jetzt den Kopf. Wie kann das sein? Warum straft das Volk diesen Mann nicht ab? Warum verpassen sie Ihm keinen Denkzettel?"

Friedrich Naumann Stiftung – 09.2014: Brennpunkt: Türkei

„(…)Viele – vor allem ausländische – Beobachter reiben sich nun verdutzt die Augen. Was muss denn noch alles geschehen, um die Wähler der AK-Partei stutzig zu machen? Bedeuten die Eingriffe in die Meinungs- und Medienfreiheit für die Bürger gar nichts?"

Die Antwort ist klar, aber für die vielen ‚Türkei-Experten' ernüchternd: NEIN!

Erdoğan unterscheidet sich von vielen anderen Politikern durch seine Standhaftigkeit und sein Selbstbewusstsein. Die westlichen Medien versuchen durch Wahrnehmungspropaganda Einfluss auf den Präsidenten zu nehmen. Als er sich solchen Angriffen nicht beugt, wird er zu einem Diktator und Autokraten erklärt.

‚Wer stoppt den Boss vom Bosporus?'; ‚Der letzte Tag des Sultans'; ‚Nur das Militär kann Erdoğan noch stoppen'; ‚Stoppt den Erdo-Wahn'; ‚Nur das Kapital kann Erdoğan noch zähmen'; sind nur ein paar der Schlagzeilen mit denen unser Präsident Erdoğan jeden Tag in den deutschen Medien dämonisiert wird. Das türkische Volk, dass Erdoğan als Vertreter der Einheit des Staates und des Volkes verehrt, zeigt seine Empörung, in dem es sich geschlossen hinter Präsident Erdoğan stellt.

Am 15. Juli wollte die brutale Gülenisten-Terrorgruppe Erdoğan und seine Regierung beseitigen. Mit seinem Aufruf ist das türkische Volk zu Abermillionen auf die Straßen gegangen, um den Putschversuch abzuwenden und sich emphatisch hinter Ihren Präsidenten zu scharen, und das aus leidenschaftlicher Überzeugung. Dieser Staatsstreich hätte absehbar tragische Konsequenzen gehabt wie Chaos, Ermordungen, Massenflucht und Bürgerkrieg.

STERN.de - 16. Juli 2016: „Ein politisches Geschenk an Erdoğan'"

„(…) Und der Gewinner heißt, wieder einmal: Recep Tayyip Erdoğan. Die Putschisten im Militär haben sich katastrophal verkalkuliert. Wie konnte das Militär gegen Zivilisten verlieren? Nun wird Erdoğan seine Macht weiter ausbauen."

Nach Attentaten, Terroranschlägen und Putschversuchen ist nie wieder irgendetwas so wie es vorher war.

Der Gülen Terrorkult, der seit 40 Jahren die staatlichen Institutionen unterwanderte, hatte die Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Ordnung und des säkularen Staatsapparats zum Ziel. Die türkische Justiz hat das gute Recht gegen die Gülenisten und andere Terror-Organisationen vorzugehen und den Ausnahmezustand zu verhängen. Mitten in Europa herrscht seit Monaten der Ausnahmezustand. Nach Anschlägen geht Frankreich mit aller Entschlossenheit gegen mutmaßliche Terroristen und ihre Unterstützer vor. Obwohl fundamentale Grundrechte der Bevölkerung außer Kraft gesetzt werden, erklärt sich Europa solidarisch.

Die EU dürfte bis heute die Bedrohungssituation, die den türkischen Staat bis in die Grundfesten erschüttert hat, nicht richtig verstanden haben. Die Maßnahmen der türkischen Regierung während des Ausnahmezustands zu kritisieren, ist eine Ungerechtigkeit gegenüber unserem Land.

Die EU, die sich in einem unumkehrbaren Zerfall befindet, benutzt die Beitrittsoption lediglich als Erpressungsmittel gegen die Türkei und um Präsidenten Erdoğan noch im Zaum zu halten. Dass Erdoğan taub für jede Kritik ist, steigert die Empörung innerhalb der EU. Europa ist weitgehend machtlos. Es heißt ‚Erdoğan soll sich mäßigen.'

Die EU, die ihre Vorbildrolle eingebüßt hat, ist wegen der Flüchtlingskrise zum Bittsteller gegenüber der Türkei geworden. Da die Türkei eine geopolitisch zentrale Rolle spielt, braucht die EU und ihre Mitgliedsstaaten Erdoğan als Partner, und das nicht nur in der Flüchtlingskrise, sondern auch im Kampf gegen die Terrororganisation DAESH und für eine Lösung des Syrienkonflikts.

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