Erdoğan strebt gemeinsame Strategie zwischen OIC und EU für Jerusalem an

SERDAR KARAGÖZ @serdarkaragoz
ISTANBUL
Veröffentlicht 09.01.2018 00:00
Aktualisiert 09.01.2018 11:12
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Präsident Erdoğan sagte, die Türkei werde vorschlagen, eine gemeinsame Anstrengung mir der Organisation für Islamische Kooperation (OIC) und der Europäischen Union zu unternehmen, um das Problem des Status von Jerusalemer zu lösen

Präsident Recep Tayyip Erdoğan deutete in seinen Aussagen darauf hin, dass er eine gemeinsame diplomatische Initiative zwischen der „Organisation für Islamische Kooperation" (OIC) und der Europäischen Union zur Überwindung des israelisch-palästinensischen Konflikts anstreben wird.

Auf seinem Rückweg von Paris, wo er den französischen Präsidenten Emmannuel Macron traf, sagte Erdoğan gegenüber den Journalisten, die ihn im Präsidentenflugzeug begleiteten, er werde als amtierender Präsident der OIC der EU ein Vorschlag machen, um den Israel-Palästina-Konflikt gemeinsam zu lösen.

Nachdem der US-Präsident Donald Trump am 6. Dezember beschlossen hatte, Jerusalem anstelle von Tel Aviv als Israels Hauptstadt anzuerkennen, zeigte die internationale Gemeinschaft eine gemeinsame Haltung gegenüber Washingtons Vorgehen. Am 13. Dezember hatte die OIC ein Notfalltreffen in Istanbul einberufen, wo die Führer der muslimischen Welt die Entscheidung für „null und nichtig" erklärten. Darüber hinaus erklärte die OIC in einer Erklärung, dass Ost-Jerusalem die Hauptstadt Palästinas sei und „unter Besatzung" stehe - die USA wurden aufgefordert, sich aus dem Friedensprozess zurückzuziehen und von ihrer Entscheidung kehrt zu machen.

Die OIC ist 1969 anlässlich eines historischen Gipfels in Rabat, Marokko, nach einem Brandanschlag auf die Al-Aqsa-Moschee im besetzten Jerusalem errichtet worden. Die Moschee war am 21. August 1969 von einem australischen Christen namens Michael Denis Rohan in Brand gesetzt worden. Der Schrein und eine 1000 Jahre alte Kanzel wurden bei dem Brand zusammen mit einigen historischen Objekten völlig zerstört. Rohan hatte sich einer in den USA ansässigen Gruppe namens „Kirche Gottes" angeschlossen und glaubte, dass das Feuer der Moschee das Kommen des Messias beschleunigen würde. Er wurde später für psychisch instabil erklärt und soll 1995 in psychiatrischer Behandlung gestorben sein.

Als einer der lautstärksten Akteure in dieser Frage sagte der türkische Präsident von Anfang an, Jerusalem sei eine „rote Linie für die Türkei und die muslimische Welt".

Darüber hinaus haben auch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine gemeinsame Haltung gegen die Entscheidung des Weißen Hauses zu Jerusalem eingenommen und gesagt, dass Jerusalems Status eine Angelegenheit ist, die zwischen den Palästinensern und den Israelis verhandelt werden müsse. Eine auferlegte und einseitige Entscheidung sei falsch.

Auch EU-Politiker kritisierten das Vorgehen von Trump. „Die Europäische Union hat eine klare und einheitliche Position. Wir glauben, dass die einzige realistische Lösung des Konflikts zwischen Israel und Palästina auf zwei Staaten und mit Jerusalem als Hauptstadt beider Länder basiert", hatte Federica Mogherini gesagt. Sie ist unter anderem die außenpolitische Vertreterin der EU.

„Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden auch weiterhin den internationalen Konsens bezüglich Jerusalem respektieren, der unter anderem in der Resolution 478 enthalten ist - einschließlich der Festlegung ihrer diplomatischen Vertretungen, bis der endgültige Status von Jerusalem geklärt ist", heißt es in einer Erklärung von Mogherinis Büro. Die EU habe eine „Verpflichtung für die Zwei-Staaten-Lösung."

Die EU sieht die Zwei-Staaten-Lösung, in der ein palästinensischer Staat „Seite an Seite in Frieden und Sicherheit mit Israel und seinen anderen Nachbarn lebt", als fundamentales Interesse an.

Der 27-köpfige Block hat sich auch gegen die illegalen Siedlungen Israels in den besetzten Gebieten seit 1967 gestellt. Zum Status von Jerusalem sagt die EU in einem Bericht vom Juni 2016, dass sie die diplomatischen Bemühungen von US-Sekretär J. Kerry 2013 und 2014 unterstützt – die nun gescheitert sind.

Im Bericht steht zudem: „Die EU - mit den Vereinten Nationen, den USA und der Russischen Föderation - ist Mitglied des Quartetts, das 2002 einen Fahrplan für den Frieden zur Lösung des Konflikts auf den Weg gebracht hat. Die Arabische Friedensinitiative stellt einen wesentlichen Beitrag der arabischen Länder dar. In Bezug auf den Gazastreifen hat der Konflikt im Jahr 2014 gezeigt, dass der Status quo nicht nachhaltig ist und es einer Aufhebung der Abriegelung von Gaza im Einklang mit der Resolution 1860 der Vereinten Nationen (2009) bedarf (...)"

In Bezug auf die illegalen Siedlungen in den besetzten Gebieten hat die EU wiederholt erklärt, dass sie zutiefst besorgt sei über beschleunigte Siedlungsausweitung in der Westbank einschließlich Ost-Jerusalem. Diese Erweiterung präjudiziere das Ergebnis der Verhandlungen über den endgültigen Status und bedrohe die Lebensfähigkeit einer vereinbarten Zwei-Staaten-Lösung. „Die EU ist der Auffassung, dass der Siedlungsbau überall in den besetzten palästinensischen Gebieten einschließlich Ostjerusalems völkerrechtswidrig ist, ein Friedenshindernis darstellt und eine Zweistaatenlösung unmöglich zu machen droht. "

Trumps Vorstoß wurde zunächst im UN-Sicherheitsrat angefochten - der Resolutionsentwurf scheiterte jedoch an einem Veto (14:1) der USA.

Danach brachten die Türkei und der Jemen das Thema in einem Resolutionsentwurf zur Generalversammlung der Vereinten Nationen – dort wurde er mit 128 zu 9 Stimmen, bei 35 Enthaltungen, angenommen. Obwohl das Weiße Haus die internationale Gemeinschaft im Vorfeld bedrohte, wurde die Verabschiedung des Resolutionsentwurfs als einheitliche Haltung der internationalen Gemeinschaft zu diesem Thema interpretiert. Es hat zudem verdeutlicht, dass der sensible Status Jerusalems geschützt werden muss. Der Status der historischen Stadt war lange Zeit ein Thema für die internationale Gemeinschaft. Jerusalem wurde erstmals mit dem Teilungsplan von 1947 unter internationale Souveränität und Kontrolle gestellt, der die Teilung des historischen Palästina zwischen einem jüdischen und arabischen Staaten empfahl, um den Konflikt in der Region zu beenden.

Die UN entschied sich für einen speziellen Status, da Jerusalem für Juden, Christen und Muslime gleichermaßen heilig ist. Während des arabisch-israelischen Krieges 1948 erklärten die israelischen Streitkräfte jedoch West-Jerusalem zu einem Teil Israels und ignorierten die Empfehlung der Vereinten Nationen.

Im Sechs-Tage-Krieg von 1967 besetzte Israel Jerusalem und übernahm die Kontrolle über den östlichen Teil der Stadt, der zuvor unter jordanischer Kontrolle gestanden hatte. Die Palästinenser beanspruchen Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines zukünftigen Staates, während die internationale Gemeinschaft - wie in den israelisch-palästinensischen Friedensabkommen von 1993 in Oslo vereinbart - sagt, dass der Status von Jerusalem in Verhandlungen zwischen Israelis und den Palästinensern entschieden werden sollte.

„2018 könnte ein Jahr der Normalisierung der Beziehungen zur EU sein"

Präsident Erdoğan sagte zudem, dass er hoffe, dass dieses Jahr ein neuer Anfang für die Normalisierung der Beziehungen der Türkei werde. Er räumte ein, dass die Beziehungen zu den EU-Mitgliedstaaten in jüngster Zeit angespannt seien - er hoffe, diese schwierige Zeit hinter sich lassen zu können.

„Wir freuen uns auf eine baldige Erholung in den Beziehungen." Man dürfe keine dauerhaften Feindschaften in der Politik zulassen. „Das ist für die Menschen niemals ein Gewinn, das ist nicht vorteilhaft", erklärte er.

Der Präsident hob hervor, dass einige Türkeifeindliche Staaten, die Beziehungen beschädigt hätten. Daneben gebe es aber auch Staaten wie Frankreich, die ganz andere Beziehungen zu Ankara hätten.

Vor allem seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 sind die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU stark angespannt. Ankara sagt, es gebe einen Mangel an Unterstützung gegen die Gülenisten-Terrorgruppe (FETÖ) und ihre Mitglieder, von denen viele in Europa Asyl ersucht haben.

Darüber hinaus hat die Toleranz gegenüber Sympathisanten der PKK dazu geführt, dass Ankara das Vertrauen in seine europäischen Verbündeten verlor. Die PKK wird von der EU, den USA und den Vereinigten Staaten als terroristische Vereinigung anerkannt, dennoch dürfen PKK-nahe Untergruppen in europäischen Städten Kundgebungen abhalten, Rekrutierungsaktivitäten durchführen und finanzielle Unterstützung sammeln.

Meinungsverschiedenheiten über Terror haben Beziehungen zur USA beschädigt

Präsident Erdoğan sagte, dass die Türkei und die USA nicht den gleichen Konsens besäßen, wenn es um Terrorismusbekämpfung und Definition von Terror geht. Die USA hätten ihre eigene Definition und bekämpften den Terror nur, wenn es den eigenen Vorteilen diene. Dies schaffe einen Konflikt zwischen Washington und Ankara.

Die beiden wichtigsten Meinungsverschiedenheiten zwischen Washington und Ankara bestehen in der verweigerten Auslieferung von Fetullah Gülen, dem Führer der FETÖ, und in der militärischen Unterstützung der syrische Ableger der Terrororganisation PKK: „Die Partei der Demokratischen Union" (PYD) und der bewaffnete Flügel, „die Volksschutzeinheiten" (YPG).

Die Türkei hat die Auslieferung von Gülen, dem Drahtzieher des gescheiterten Staatsstreichs, bereits mehrfach von den USA gefordert und mehr als 80 Ordner mit Beweisen und Erklärungen zur Verfügung gestellt. Bisher wurden jedoch noch keine Schritte unternommen. Ankara sagt, der Prozess sei aufgrund von politischen Motiven nicht vorangekommen.

Zum jüngsten US-Prozess gegen Mehmet Hakan Atilla, Ex-Exekutivorgan der türkischen Halkbank, der in New York wegen der Umgehung der Iran-Sanktionen angeklagt wurde, sagte Erdoğan, dass jener Fall in so kurzer Zeit abgeschlossen worden sei, es aber keinerlei Schritte gegen Gülen gebe. Dies zeige, dass die USA hinter FETÖ stünden. Diese Probleme hätten die bilateralen Beziehungen zwischen der Türkei und den USA „schwer beschädigt", betonte der Präsident.

In Bezug auf die Unterstützung der syrischen PKK-Ableger durch die USA hat die Türkei immer wieder betont, die USA unterstützten eine terroristische Gruppierung in Syrien unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Daesh – dies bedrohe letztlich die nationale Sicherheit der Türkei.

Die Türkei werde die Errichtung eines Terrorkorridors durch die YPG entlang ihrer südlichen Grenze zu Nordsyrien nicht zulassen.

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