Sondierungen: Union und SPD mühen sich um Disziplin

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BERLIN
Veröffentlicht 09.01.2018 00:00
Aktualisiert 09.01.2018 16:54
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Nach Ärger über erste Indiskretionen mühen sich Union und SPD um Disziplin bei den schwierigen Sondierungen über eine neue große Koalition. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles verlangte am Dienstag, sich an das vereinbarte Stillschweigen zu halten.

«Ich kann nur alle in der Union auffordern, den Jamaika-Modus jetzt endgültig abzustellen», sagte sie mit Blick auf die Gespräche von Union, FDP und Grünen, aus denen oft Zwischenstände öffentlich wurden. Die CDU-Seite versuchte die Wogen zu glätten, nachdem Äußerungen des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) über eine Einigung beim Thema Energie Unmut bei der SPD ausgelöst hatten.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte erneut, es handle sich bisher nur um Zwischenergebnisse. «Alles ist erst verhandelt, wenn alles verhandelt ist.» Es lägen noch «große Brocken» vor den Sondierern. Es gebe aber auch Bereiche, bei denen schon viel erreicht werden konnte. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von guten Gesprächen. Die drei Parteien streben einen Abschluss der Sondierungen bis spätestens in der Nacht zu Freitag an.

Nahles nannte es als «sehr ärgerlich», dass es «Durchstechereien» von Zwischenergebnissen gegeben habe. Dies zielte offensichtlich auf Laschet, der am Montagabend bei einem Neujahrsempfang in Düsseldorf gesagt hatte: «Ich kann Ihnen heute berichten, dass wir mit den Sozialdemokraten innerhalb von zwei Sitzungen das Thema Energiepolitik heute abgeschlossen haben.» SPD-Chef Martin Schulz wich am Dienstag Fragen aus, ob er über Durchstechereien sauer sei. Er sprach von guten und konstruktiven Beratungen.

Der nordrhein-westfälische SPD-Fraktionschef Norbert Römer warf Laschet einen «eklatanten Wortbruch» vor. Dessen Verhalten bestätige das tiefe Misstrauen der NRW-SPD gegen die Union und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). «Das Wort der CDU ist einfach nicht viel wert», sagte Römer. «Armin Laschet hat dafür ein weiteres schlechtes Beispiel gegeben.» Die NRW-SPD stellt rund ein Viertel der Delegierten des SPD-Sonderparteitags, der am 21. Januar über eine mögliche Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden soll.

Erste Positionierungen zur Klimaschutz- und Energiepolitik stießen auf Kritik. Union und SPD wollen sich demnach von dem nur noch schwer erreichbaren deutschen Klimaziel für 2020 verabschieden.

Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sagte: «Wer kämpft in der großen Koalition für den Kohleausstieg oder für eine wirkliche Verringerung des CO2-Ausstoßes, auch im Verkehr? Da ist niemand, den ich kenne», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sprach von einem «erstaunlichen Rendezvous mit der Realität». Die FDP hätte sich gewünscht, dass die Union schon in den Jamaika-Gesprächen dazu bereit gewesen wäre.

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Merkel hatte erst im Wahlkampf versprochen, Wege zur Einhaltung dieses Ziels zu finden.

Nach dem Papier der schwarz-roten Klima-Arbeitsgruppe soll eine Kommission einen Aktionsplan zum schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung erarbeiten. Darauf hatte sich die noch geschäftsführende große Koalition bereits im November 2016 geeinigt. Angestrebt wird zudem ein Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030. Bislang waren 50 Prozent vorgesehen.

Differenzen zwischen Union und SPD gibt es unter anderem noch in der Steuerpolitik, über die am Dienstag weiter beraten werden sollte. Die CSU lehnt die Forderung der SPD nach einer schrittweisen Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent ab, wie es am Montagabend aus Verhandlungskreisen hieß. Die Erhöhung solle nach SPD-Vorstellung als Ausgleich für Pläne dienen, den Spitzensteuersatz erst bei etwas höheren Einkommen greifen zu lassen. Demnach soll er statt bei knapp 55.000 Euro künftig ab 60.000 Euro Jahreseinkommen fällig werden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hob am Dienstag bei seinem Neujahrsempfang die Stärke der Demokratie hervor - auch angesichts der schwierigen Regierungsbildung. «Alle Blicke richten sich auf die Parteien und ihre Spitzenvertreter. Alle fragen sich, wie es nun weitergehen kann und soll - und das völlig zu Recht. Festzuhalten sei aber: «Unsere Demokratie ist stark, auch in politisch schwierigen Zeiten.» Zum Empfang kamen auch Merkel und mehrere Minister.

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