Nahles: „Wir werden Hartz IV hinter uns lassen“

AFP
BERLIN
Veröffentlicht 11.11.2018 00:00
Aktualisiert 12.11.2018 10:15
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Die SPD will den Sozialstaat grundlegend reformieren und dabei Hartz IV abschaffen. Parteichefin Andrea Nahles sagte am Wochenende: "Wir werden Hartz IV hinter uns lassen." Nötig sei eine neue Grundsicherung, zudem müssten die Hilfen für arme Kinder "bedingungslos werden". Die Menschen bräuchten "einen freundlichen, zugewandten, echten Sozialstaat". Die Arbeitgeber warnten vor einer Abkehr von Hartz IV, FDP-Chef Christian Lindner forderte Änderungen am bestehenden Konzept.

An einem Debattencamp der SPD in Berlin nahmen am Samstag und Sonntag nach Parteiangaben mehr als 2500 Menschen teil. Mit dem neuen Format will die Partei ihren Erneuerungsprozess voranbringen und Wege aus dem aktuellen Tief finden. In über 60 Diskussionsforen ging es um Themen wie Europa, Umwelt- und Klimapolitik, Migration, Verkehr, Pflege und andere soziale Fragen.

"Wir brauchen eine große, umfassende, tiefgreifende Sozialstaatsreform", sagte Nahles zur Eröffnung des Debattencamps. Der Sozialstaat laufe den "rasanten Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft hinterher". Das bestehende System weiterzuentwickeln reiche nicht aus: "Wir brauchen eine Sozialstaatsreform 2025, die die grundsätzlichen Fragen angeht."

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer warnte vor einem "wirtschaftspolitischen Crashkurs". Mit Blick auf weitere SPD-Forderungen etwa nach einem höheren Mindestlohn oder einem Grundeinkommensjahr sagte er: "Besser die SPD lässt die GroKo tatsächlich platzen, als dass diese SPD-Spendierhosen-Politik zum Schaden Deutschlands Wirklichkeit wird".

FDP-Chef Lindner plädierte für Änderungen am bestehenden Hartz-Konzept. "Wir brauchen einen Sozialstaat, der sehr viel stärker als bisher würdigt, wenn Menschen auch in kleinen Jobs arbeiten", sagte er der Bild"-Zeitung (Montagsausgabe). Wer neben Hartz IV noch einen Minijob habe, solle von diesem Lohn künftig mehr behalten dürfen. Auch sollte die Bürokratie vereinfacht werden.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte: "Die SPD muss ihren Frieden mit der erfolgreichen Agenda 2010 machen." Die Partei übersehe, dass dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wieder zugenommen habe und die Zahl der Arbeitslosen immer geringer geworden sei, sagte Kramer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstagsausgaben).

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht bot der SPD eine neue Partnerschaft an. Es sei "erfreulich, wenn auch die SPD-Spitze endlich versteht, dass Hartz-IV Millionen Arbeitnehmer enteignet" habe, sagte sie den Zeitungen der "Funke"-Mediengruppe (Montagsausgaben). Wagenknecht rief die SPD zum Ausstieg aus der "GroKo" auf. Die Überwindung von Hartz IV könne "wohl kaum" mit der Union durchgesetzt werden.

Nahles sagte zum Abschluss des Debattencamps: "Die SPD ist lebendig, das haben wir gezeigt." Sie rief die versammelten Mitglieder und Unterstützer auf, sie sollten vor Ort "für die SPD kämpfen". In acht regionalen Debattencamps solle über die in Berlin erarbeiteten Vorschläge diskutiert werden.

Mit scharfer Kritik meldete sich erneut der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel zu Wort. "Die SPD wirkt oft wie eine Holding, in der zahlreiche Arbeitsgruppen ihre eigenen Ziele absolut setzen", sagte er der "Welt am Sonntag". Völlig unklar bleibe dabei, wofür die SPD eigentlich stehe.

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