„Nationale Sicherheit" versus „Kurdistan"

Veröffentlicht 14.03.2019 13:56
Aktualisiert 14.03.2019 14:02

Vor den Kommunalwahlen Ende des Monats drehen sich die ideologischen Debatten in der Türkei um sogenannte existenzielle Fragen für den Fortbestand der Nation, was im Türkischen mit dem Schlüsselwort „Beka" wiedergegeben wird.

Die Volksallianz, bestehend aus der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AK-Partei) und der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), versteht darunter einen Pragmatismus, der sich gegen Angriffe aus dem In- und Ausland richtet. Dabei geht es um innere Konflikte wie die Turbulenzen bei den Gezi-Protesten, die sich chronologisch bis zum Putschversuch im Juli 2016 erstrecken. Die Volksallianz sieht darin eine politische Verschwörung verborgen, die zum Teil vom Ausland gesteuert wird und letztlich die Nation in seiner Gesamtheit bedroht. Die erfolgreiche Abwehr dieser Angriffe, die beim Putschversuch der terroristischen Gülen-Sekte ihren Höhepunkt fand, gilt als Geburtsstunde des neuen Nationalbewusstseins, unter dessen Schirm sich das Volk ungeachtet politischer Differenzen vereint.

Das Wahlbündnis der Opposition, genannt „Bündnis der Nation", besteht offiziell aus der Republikanischen Volkspartei (CHP) und der Guten Partei (IP) und wird in einigen Provinzen indirekt von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) unterstützt. Die HDP gilt in der Türkei als der Terrororganisation PKK nahe stehend. Sie unterstützt außerdem die Volksschutzeinheiten (YPG) in Nordsyrien, die als syrischer Ableger der PKK gilt und dadurch die Sicherheit der Türkei bedroht. Sie wird zudem von den USA unterstützt.

Die „Volksallianz" sieht hierbei eine insgeheime Kooperation zwischen den einzelnen Parteien und wirft ihnen vor, der HDP die Hand gereicht zu haben. Sie bemängelt zudem, eine fehlende Hervorhebung terroristischer Bedrohungen, mit denen die Türkei konfrontiert sei.

Die Opposition scheint das Thema um den Fortbestand der Nation gänzlich zu vermeiden. Dies war aber nicht immer so. Vor allem die CHP instrumentalisierte das Thema seit 2007 in einem anderen Kontext gegen die AK-Partei und Präsident Recep Tayyip Erdoğan. So wurde der Präsident mit einer scharfen Rhetorik angegriffen und als „Diktator" oder „Despot" bezeichnet – vor allem beim Wahlkampf vom Juni 2018. Das derzeitige Schweigen der Opposition deutet zugleich auf ein Unbehagen hin, dass aus der verdeckten Kooperation mit der HDP resultiert und sich auch auf die Wählerschaft der Parteien auswirkt.

Folgende Bemerkungen vom HDP-Co-Vorsitzenden Sezai Temelli legen die Strategie der Opposition offen: „Wir werden in Kurdistan gewinnen. Und im Westen werden wir die AK-Partei und die MHP verlieren lassen." Diese Worte lösten eine Debatte über eine Partnerschaft des CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu mit der HDP aus. Der türkische Präsident antwortete im Wahlkampf: „Es gibt ein Ostanatolien, ein Südostanatolien, eine Schwarzmeerregion, eine Ägäis-Region und eine Marmara-Region in meinem Land. Aber es gibt keine solche Region wie Kurdistan (...)."

Separatistisch gepolte kurdische Nationalisten streben nach einem Sonderstatus für die „Kurdistan"-Region in Form einer Autonomie. Dies wäre ein erster Schritt hin zu einem unabhängigen Nationalstaat. Denn Autonomie allein befriedigt selten den ethnischen Nationalismus.

Im Gegenteil, solche Zugeständnisse befeuern den Separatismus. Spanien hat diese Lektion in Katalonien und im Baskenland schmerzlich lernen müssen. Das Unabhängigkeitsreferendum „der Autonomen Region Kurdistan" im Nordirak ist ein weiteres Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit. Insofern gehen die Anspielungen der PKK/HDP-Elite auf „Kurdistan" über gesellschaftliches Bestreben hinaus. Es geht dabei auch nicht um die demokratischen Rechte der Kurden in der Türkei oder um die Akzeptanz als gleichwertige Bürger. Der Begriff fordert die territoriale Integrität der Türkei heraus und zielt auf eine vollständige Abspaltung von dem Staat.

Außerdem haben wir sehen können, wie das Autonomiebestreben der PKK-Ableger in Nordsyrien auf die Türkei abfärbte und den Aussöhnungsprozess behinderte. Kein Wunder also, dass die Demokratische Linkspartei (DSP) unter den von der CHP und IP entfremdeten Wählern so beliebt ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass Erdoğans jüngste Aufforderung an die Separatisten, ihre Träume von „Kurdistan" im Nordirak auszuleben, an die HDP-Elite gerichtet ist und nicht an die kurdischen Wähler.

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