Erdoğan: „Welt braucht universelle Terror-Definition“

SERDAR KARAGÖZ @serdarkaragoz
Präsidenten Flugzeug
Veröffentlicht 11.07.2016 00:00
Aktualisiert 11.07.2016 17:56
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sprach bei seiner Abreise vom NATO-Gipfel in Warschau mit den Journalisten im Präsidenten-Flugzeug und sagte, dass die Welt eine universelle Definition für den Terrorismus und die Terroristen benötigt, damit verhindert wird, dass jedes Land sie nach Belieben definiert.

„Falls solch eine Definition im internationalen Recht eingeschlossen wird, dann wird es keinen Unterschied zwischen der türkischen und deutschen Definition des Terrors geben." Die rechtliche Definition des Terrorismus in der Türkei löste Einwände bei den EU-Behörden aus, die diese ausnutzen, um das Flüchtlingsabkommen in Stich zu lassen und den türkischen Bürgern nicht die Visa-Liberalisierung zu ermöglichen. Die Türkei führt derzeit große Anti-Terror-Operationen gegen international anerkannte Terrororganisationen, wie die PKK und Daesh, durch.

Erdoğan bezog sich auf einen Versuch vor 20 Jahren, um eine international anerkannte Definition für den Terrorismus zu schaffen, argumentierte aber, dass durch die internationalen Entwicklungen nun notwendig ist, diese zu aktualisieren.

„In den letzten 14 Jahren haben wir, als die Türkei, unsere Anti-Terror-Gesetze im Einklang mit den internationalen Normen vorbereitet. Wir rufen jetzt diejenigen auf, die von uns erwarten, dass wir sie verändern, dass sie den internationalen Stand der Dinge Aufmerksamkeit schenken." Er verwies auf die jüngsten Angriffe der PKK und der Daesh, wobei hunderte von Zivilisten in der Türkei, sowie Brüssel, Paris und Lahore ums Leben kamen. Erdoğan forderte eine neue universelle Definition des Terrorismus in Anbetracht des aktuellen Zustands der Welt. „Während des Gipfels kam ich immer wieder auf Syrien zu sprechen", sagte er. „Bei jedem Terror-Gespräch wird die Daesh in den Mittelpunkt gestellt. Gab es die Daesh vor der US-Invasion im Irak? Es gab nur die al-Qaida, die später zur Daesh wurde."

Er sagte auch, dass er die Teilnehmer über die Gefahr der PKK und ihren verschiedenen Splittergruppen informiert habe.

Zum aktuellen Stand der PKK sagte Erdoğan, dass die Terrororganisation durch interne Kämpfe und Auseinandersetzungen über die Zukunft verunsichert wird. „Sie können es nicht länger verstecken. Dies zeigt auch die steigende Zahl derer, die die PKK verlassen."

Er sagte, dass der diesjährige NATO-Gipfel am 8.-9. Juli, der alle zwei Jahre Staats- und Regierungschefs der Mitglieder zusammenbringt, sich auf die Zukunft der NATO-Prioritäten und Bedürfnisse in Hinblick auf die internationalen Entwicklungen konzentrierte. „Wir hatten die Gelegenheit, die Kapazitäten der Allianz zu diskutieren, um sie zu erhöhen und ihre Stabilität einzuschätzen. Vor allem im Kampf gegen den Terror." Bei dem Gipfel einigten sich die Regierungschefs zu einer verbesserten Kooperation zwischen den Verbündeten, und der Stärkung der Beziehungen zwischen der Allianz und der EU, sagte Erdoğan. „Die Vision und Vorschläge zur Stärkung der Beziehungen zwischen der EU und der NATO wird natürlich in beiden Institutionen bewertet werden. Für uns ist die Einhaltung dieser Ordnung und Struktur der NATO-EU-Beziehungen von größter Bedeutung."

Er sagte, dass das zunehmende Bedürfnis der EU für die Unterstützung der NATO nach dem EU-Austritt Großbritanniens deutlich geworden ist. „Deshalb müssen wir eine Basis der Zusammenarbeit formulieren, die alle europäischen Mitglieder einschließt, ob sie nun der EU angehören oder nicht. Außerdem sollte auch Kanada einbeschlossen werden, um eine stärkere transatlantische Zusammenarbeit zu etablieren."

Erdoğan betonte die Bedeutung der NATO-Beziehungen zu ihren Partnern, darunter die Ukraine und Georgien. „Wir stimmen dem umfassenden Hilfspaket für die Ukraine zu." Die Bedeutung des stetigen Dialogs mit Russland auf der Grundlage internationaler Zusagen und dem Recht wurden weiterhin betont. Dabei ist die Entscheidung, die Abschreckungsfähigkeit der NATO beizubehalten, von relevanter Bedeutung.

Die Türkei rief weiterhin zur Aufnahme Georgiens auf, den Erdoğan als strategischer Verbündeter für die NATO beschrieb. Dabei unterstützte er auch die Mitgliedschaft von Bosnien und Mazedonien als eine Möglichkeit, den stabilisierenden Einfluss der Allianz zu erweitern. „Niemand sollte sich vor solch einer Expansion fürchten. Diese Länder sind zwar jetzt Quellen von Problemen, aber auf diese Weise werden sie sich von solchen Problemen befreien. In bilateralen Treffen stimmten alle unsere Amtskollegen dieser Einschätzung zu."

Er sagte, dass er bei dem Gipfel die Möglichkeit hatte umfassende Treffen mit dem bosnischen Präsidenten Bakir Izetbegovic, dem britischen Ministerpräsidenten David Cameron, der Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö zu halten. Er hielt kurze Treffen mit den Staats- und Regierungschefs aus Griechenland, Estland, Kanada, Bulgarien und Italien. Er sagte, dass er auch mit dem US-Präsidenten Barack Obama gesprochen hatte, der während des Gipfels neben ihm saß. Die Parlamentarische Versammlung der NATO wird sich im November in der Türkei treffen und Erdoğan erwähnte, dass falls andere Mitglieder zustimmten, der nächste NATO-Gipfel in zwei Jahren in Istanbul stattfinden werde.

Die Türkei bekräftigte auch ihre weitere Unterstützung für den NATO-Einsatz in Afghanistan, sowohl finanziell als auch mit Soldaten. „Wir haben bereit 37 Millionen Dollar der versprochenen 60 Millionen bezahlt. Bis Ende 2017 werden wir nach Plan weiterzahlen. Wir versprachen weitere 60 Millionen Dollar Hilfe für 2018-2020." Die Bemühungen der Türkei in Afghanistan sind in erster Linie logistische Unterstützungen, einschließlich der Verwaltung des Flughafens Kabul. Erdoğan fügte hinzu, dass die Türkei in Betracht ziehe, logistische Unterstützung für NATO-Operationen anzufordern.

Zum Thema der US-Lieferung der HIMARS-Mehrfachraketenwerfer, die in Syrien eingesetzt werden sollen, sagte Erdoğan, dass die amerikanischen Behörden die Lieferung ständig verzögern, nachdem sie versprochen hatten diese im Mai bereitzustellen. „Unsere Fırtına-Haubitze sind mehr als fähig, die Ziele zu treffen. Doch beträgt ihre Reichweite 40 Kilometer, während die HIMARS eine Reichweite von 90 Kilometern haben. Unsere Beamten folgen dieser Angelegenheit mit ihren amerikanischen Kollegen."

Polizeigewalt verheißt nichts Gutes

Die jüngsten rassistischen Spannungen in den USA verheißen nichts Gutes für das soziale Wohl des Landes, sagte der Präsident. Er erklärte, dass mehr als 560 Zivilisten in USA in den letzten sieben Monaten gestorben sind. „Was ist die Grundlage dieser sozialen Krankheit? Sie sollten sich damit auseinandersetzen. Solche Entwicklungen zeigen, wie wir als Politiker, vorsichtig sein müssen, um zwischen einem Terroristen und einem Zivilisten zu unterscheiden."

Die Polizei, die mit den notwendigen Befugnissen beauftragt werden, sollte aber nicht unbegrenzt sein, wenn sie ihre Arbeit tätigen. Er sagte, dass es keine Erklärung für einen Polizeibeamten geben kann, der einen Mann in Handschellen auf dem Boden liegend erschießt.

Jeden Monat ein Hilfsschiff für Gaza

Nach dem Versöhnungsabkommen mit Israel erreichte letzte Woche die erste Hilfe-Lieferung den Gazastreifen, sagte der Präsident und fügte hinzu, dass die Türkei hoffe, monatliche Lieferungen durchzuführen. „Wir sprachen mit dem Hamas-Chef Khaled Mashal am Bayram (Ramadan-Fest) und er bedankte sich bei mir für die Hilfe. Die Verteilung der 14.000 Tonnen Hilfe wird immer noch weitergeführt. Unser erstes Ziel ist es, jeden Monat ein Schiff zu schicken. Israel hat keine Einwände." Während sich der Dialog zwischen den beiden Seiten verstärkt, wird die Türkei eine Reihe von Bauprojekten, einschließlich Krankenhäusern und Schulen, gestartet, sagte Erdoğan und fügte hinzu, dass es Initiativen geben werde, um die Strom- und Wasserprobleme zu lösen.

Auf die Frage, ob andere muslimische Länder ihre Hilfe für Gaza angeboten hätten, sagte Erdoğan: „Es gibt ein paar Länder, die versprachen, uns zu unterstützen. Wir werden zuerst die jährlichen Ausgaben kalkulieren, damit wir einen Plan erstellen können, um die Kosten zu teilen."

Syrer als türkische Bürger

Präsident Erdoğan kritisierte die Reaktionen der oppositionellen Politiker zu seiner Erklärung, dass einigen syrischen Flüchtlingen in der Türkei die Staatsbürgerschaft gewährt werde. „Ist es für ein Land angemessen, einen Antrag für die Staatsbürgerschaft abzulehnen? Ist es OK für einen Türken nach Deutschland oder der USA zu gehen und dann deutscher oder amerikanischer Bürger zu werden? Es scheint nicht so gut, wenn die Türkei dies tut. Darüber hinaus haben wir mit diesen Menschen in Freundschaft und Brüderlichkeit seit Jahren gelebt. Sie sind von ihren Ländern geflohen und sahen uns als Zufluchtsort von der Gewalt. Können wir sie für immer in Lagern oder maroden Zimmern halten? Lassen Sie die zuständigen Ministerien daran arbeiten, ihr Leid zu lindern. Wir können ihnen auch leere Wohnungen der staatlichen Wohnungsbaubehörde (TOKI) anbieten, wie wir es für die Mescheten aus Georgien getan haben."

Er sagte auch, dass die meisten erwerbsfähigen syrischen Flüchtlinge entweder illegal oder überhaupt nicht arbeiteten. „Wir suchen eine Lösung für dieses Problem. Unter ihnen gibt es Ingenieure, Rechtsanwälte, Ärzte und Lehrer. Sie können eine Bereicherung für die Türkei sein."

Ein System der doppelten Staatsbürgerschaft kann denjenigen ermöglichen, die zurückkehren möchten, während der Rest in der Türkei leben kann. „Es gibt keinen Grund solche Entwicklungen zu befürchten. Die Türkei hat eine Fläche von 780.000 Quadratkilometern und ist Heimat von 79 Millionen Menschen. Deutschland hat nur eine halb so große Fläche und hat eine Bevölkerung von 85 Millionen. Wir sind ein Land, das solche Probleme leicht überwinden kann."

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