Davos: Merkel warnt vor Abschottung und Nationalismus

DPA
DAVOS
Veröffentlicht 24.01.2018 00:00
Aktualisiert 24.01.2018 17:55
AFP

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der internationalen Gemeinschaft trotz der schleppenden Regierungsbildung in Berlin versichert, Deutschland werde weiterhin als starke Kraft zur Lösung von Konflikten beitragen.

«Deutschland will ein Land sein, das auch in Zukunft seinen Beitrag leistet, um gemeinsam in der Welt die Probleme der Zukunft zu lösen», sagte Merkel beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos. Auch darum sei es so wichtig, dass Deutschland nun schnell eine Regierung bilde.

«Wir glauben, dass Abschottung uns nicht weiterführt. Wir glauben, dass wir kooperieren müssen, dass Protektionismus nicht die richtige Antwort ist», sagte Merkel. Wenn man der Meinung sei, dass die Dinge nicht fair zugingen, müssten multilaterale und nicht unilaterale Lösungen gesucht werden, die Abschottung und Protektionismus nur fördern würden. Auch in Deutschland gebe es Schwierigkeiten und eine Polarisierung wie seit Jahrzehnten nicht, ausgelöst durch die mittlerweile gelöste Eurokrise und die Migration der vergangenen Jahre.

Nationale Egoismen, Populismus und eine polarisierende Atmosphäre in vielen Staaten würden möglicherweise auch durch die Sorge der Menschen ausgelöst, die sich fragten, «ob die multilaterale Kooperation wirklich in der Lage ist, ehrlich, fair die Probleme der Menschen zu lösen», sagte Merkel. Es gebe in allen Ländern Zweifel, ob es angesichts von Digitalisierung und der weltweiten Veränderungen gelinge, alle Menschen mitzunehmen.

Die Kanzlerin sprach sich für ein entschlossenes Vorgehen gegen Rechtspopulismus aus und warnte vor Verallgemeinerungen in der politischen Debatte. Rechtspopulismus sei «ein Gift» für die Gesellschaft, das entstehe, wenn es ungelöste Probleme gebe, sagte Merkel auf die Frage, ob sie ein Wachsen des Rechtspopulismus in Europa befürchte. Deutschland versuche, diese Entwicklung unter Kontrolle zu bekommen, sagte die Kanzlerin, ohne die rechtspopulistische AfD zu erwähnen.

Merkel warnte davor, Vorurteile gegen Religionsgruppen wie Muslime oder ganze Völker zu schüren. «Sie müssen jeden Menschen einzeln sehen. Das ist mühselig», sagte die Kanzlerin. «Solange Sie die Individualität jeder Person nicht in den Mittelpunkt stellen, und schon Ihr Vorurteil haben, wenn jemand vor Ihnen steht, ohne dass Sie noch ein Wort mit ihm gesprochen haben, ist das Einfallstor für den Rechtspopulismus da.»

Als Beispiel für die Entwicklung in Deutschland, wo in den vergangenen Jahren die rechtspopulistische AfD erstarkt ist, nannte Merkel die inzwischen bewältigte Eurokrise, bei der es den Eindruck gegeben habe, andere könnten auf Kosten der Deutschen leben.

In der Flüchtlings- und Migrationskrise nach 2015 hätten zudem viele Menschen befürchtet, ihnen werde etwas weggenommen. «Wenn das zusammenkommt mit einer wirtschaftlichen Schwäche und einer hohen Arbeitslosigkeit, dann ist die Gefahr einfach sehr groß, dass daraus eben diese Kraft entstehen kann, die sagt: Nur noch wir selbst.»

Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni erteilte der Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump eine Absage. «Ich denke, es ist ein legitimer Wunsch von politischen Führungskräften, dass sie ihre Bürger, ihre Unternehmen, ihre Wirtschaft schützen wollen, aber es gibt eine Grenze», sagte Gentiloni in Davos. Freihandel und multilaterale Entscheidungen müssten beibehalten werden.

Gleichzeitig rief er dazu auf, nicht ständig an Trump herumzukritisieren. Es sei nicht die Aufgabe Europas, zu kommentieren, was der US-Präsident tue und sage. Europa müsse vielmehr eigene Führungskraft beweisen. «Europa hat eine enorme Handelskraft, aber noch keine ausreichend starke politische Position.» Das sei die Aufgabe der kommenden Monate. «Wenn es Lücken zu füllen gibt, wird Europa diese Lücken füllen.»

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