Die historischen Wahlen in der Türkei haben begonnen

DAILY SABAH MIT DPA
ISTANBUL
Veröffentlicht 24.06.2018 00:00
Aktualisiert 24.06.2018 12:17
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In der Türkei haben die Präsidenten- und Parlamentswahlen begonnen. Die Stimmabgabe ist landesweit bis 17.00 Uhr (Ortszeit/16.00 Uhr MESZ) möglich. Knapp 60 Millionen Türken sind zur Stimmabgabe aufgerufen. Mit den Wahlen wird die Einführung eines Präsidialsystems abgeschlossen.

Der neue Präsident wird Staats- und Regierungschef und mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft.

Die Verfassungsreform ist sein wichtigstes politisches Projekt. Umfragen zufolge geht Erdoğan - der Vorsitzender der liberal-konservativen AK-Partei ist - als Favorit in die Präsidentenwahl. Eine absolute Mehrheit in der ersten Wahlrunde könnte er aber verfehlen. Dann müsste er am 8. Juli gegen den Zweitplatzierten in eine Stichwahl.

Umfragen sahen den Kandidaten der größten Oppositionspartei CHP, Muharrem Ince, auf dem zweiten Rang, gefolgt von Meral Akşener von der national-konservativen Iyi-Partei und Selahattin Demirtaş von der PKK-nahen HDP. Demirtaş sitzt seit November 2016 wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft. Insgesamt gibt es sechs Bewerber um das Präsidentenamt. Mit belastbaren Ergebnissen wird am späten Sonntagabend gerechnet.

Aus der Parlamentswahl dürfte das Wahlbündnis unter Führung von Erdoğans AKP als stärkste Kraft hervorgehen. Sollte die HDP allerdings den Sprung über die Zehnprozenthürde schaffen, könnte das AK-Partei-Bündnis die absolute Mehrheit im Parlament verlieren.

Erdoğan hatte die Einführung des Präsidialsystems vorangetrieben, es war im vergangenen Jahr mit knapper Mehrheit per Verfassungsreferendum beschlossen worden. Erdoğan hatte auch die ursprünglich für November 2019 geplanten Wahlen nach vorheriger Diskussion vorgezogen und sprach im Wahlkampf von einer «historischen» Abstimmung. Die Wahl findet im Ausnahmezustand statt, der seit dem Putschversuch vom Juli 2016 in Kraft ist.

Die Opposition hat die Rückkehr zum parlamentarischen System versprochen. Dafür wäre allerdings eine erneute Verfassungsänderung notwendig. Die Opposition will außerdem den Ausnahmezustand aufheben - aber auch die Regierung hatte eine Aufhebung nach der Wahl verkündet. Ince kündigte bei seiner letzten Wahlkampfrede vor Hunderttausenden Anhängern eine grundlegende Erneuerung des Landes an. «Morgen wird es eine ganz andere Türkei geben», sagte er am Samstag in Istanbul.

Ince versprach, die Justiz unabhängig zu machen und den Beitrittsprozess mit der EU voranzutreiben. «Sofort, nachdem ich gewählt werde, werde ich die Hauptstädte in Europa besuchen», sagte er. «Wir werden die Verhandlungen mit der Europäischen Union beschleunigen.» Dramatiscche Konsequenzen könnte ein Wahlerfolg Inces für die mehr als 3,5 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei haben: Ince sagte, er wolle auf ihre Rückführung nach Syrien hinarbeiten.

Erdoğan verwies bei seinen Wahlkampfveranstaltungen ebenfalls in Istanbul auf die Entwicklung des Landes in den vergangenen 16 Jahren AKP-Regierung. Er versprach, die Türkei werde unter seiner Führung unter die zehn meistentwickelten Länder der Welt aufsteigen.

Der letzte große Auftritt Inces vor dem Wahlkampfende am Samstagabend zog massenhaft Menschen an. Der Kandidat selber sprach von fünf Millionen Besuchern auf dem Versammlungsplatz in Maltepe. Augenzeugen hielten diese Zahl für zu hoch.

Die mehr als drei Millionen wahlberechtigten Türken im Ausland konnten bis Dienstag in ihren jeweiligen Ländern abstimmen. Sie können bis zur Schließung der Wahllokale am Sonntagabend aber noch an Grenzübergängen, Häfen und Flughäfen der Türkei wählen. Im Fall eines knappen Ergebnisses könnten ihre Stimmen ausschlaggebend sein: Die im Ausland lebenden Türken stellen gut fünf Prozent aller Wahlberechtigten. Mit rund 1,44 Millionen lebt die größte Gruppe in Deutschland.

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