Die Realität der Wahlen

Veröffentlicht 23.04.2019 15:25

Ich möchte meine Sätze mit einer wichtigen Tatsache beginnen: Die Türkei ist ein demokratischer Rechtsstaat, der über eine ausgesprochen lange Wahltradition verfügt. Die letzten Abstimmungen haben dies erneut vor Augen geführt. Nach den demokratischen geführten Wahlkämpfen gingen am 31. März 84,67% von insgesamt 57 Millionen Wahlberechtigten an die Urnen, um von ihren Bürgerrechten Gebrauch zu machen.

Damit haben die türkischen Bürger zugleich ihren Glauben an die Demokratie unter Beweis gestellt. Am Rande sei angemerkt, dass im Gegensatz dazu bei der wichtigen Brexit-Abstimmung eine Beteiligung von lediglich 72,2% zustande kam – in der Türkei hingegen liegt die Wahlbeteiligung in den letzten 70 Jahren bei durchschnittlich 82,4%. In Europa ist in der Hinsicht ein Negativtrend zu beobachten. Die Beteiligung nimmt dort kontinuierlich ab. Daher kann man behaupten: Wenn es um die Gewährleistung einer lebhaften Demokratie geht, kann die Türkei als Vorbild auftrumpfen.

Nach den Kommunalwahlen in der Türkei lief in den meisten Provinzen und Kreisstädten alles nach Plan. Die Stadtverwaltungen wurden gemäß den vorliegenden Ergebnissen neu bestimmt und die gewählten Repräsentanten haben ihren Posten bereits besetzt.

Sogar in Ankara, wo im Vorfeld Unregelmäßigkeiten beklagt worden waren, verlief der Prozess sehr zügig und der CHP-Kandidat Mansur Yavaş wurde zum neuen Bürgermeister der Hauptstadt ernannt. Ebenso in Tunceli, wo der Kandidat der Kommunistischen Partei der Türkei (TKP) seinen neuen Posten bereits angetreten hat.

In Istanbul, wo rund 8,5 Millionen Menschen an der Wahl teilnahmen, herrschte ein atemberaubendes Kopf-an-Kopf-Rennen. Nachdem in manchen Bezirken Neuzählungen veranlasst wurden, bekam letztendlich CHP-Kandidat Ekrem İmamoğlu sein Mandat für die Metropole.

Dass es Einwände gibt und dass Neuzählungen stattfinden können ist genauso ein natürlicher Prozess wie die Wahl selbst. Erst nachdem alle möglichen Rechte für Einwände erschöpft sind, wird das tatsächliche Ergebnis feststehen. Die Vorwürfe der AK-Partei und MHP bezüglich organisiertem Betrugs werden vom Hohen Wahlausschuss (YSK) aktuell noch untersucht.

Es ist notwendig, diesen rechtlichen Prozess zu respektieren. Diese Möglichkeit wurde nicht erst bei der vergangenen Wahl neu entdeckt und umgesetzt. Auch bei den Kommunalwahlen 2014 war es zu Einwänden gekommen, woraufhin die Wahlen in den Provinzen Yalova und Ağrı durch die YSK neu durchgeführt wurden. Am Ende gewann in Yalova der CHP-Kandidat und in Ağrı der Kandidat der BDP.

Auch bei dieser Wahl läuft der Prozess im Rahmen der gesetzmäßigen Urteile. Dennoch stechen im Ausland einige Aussagen ins Auge, die als Bedrohung verstanden werden können und einige davon überschreiten die Grenzen. Und das, obwohl ähnliche Prozesse auch bei Wahlen im Ausland stattfinden. Auch dort können Ergebnisse angefochten und Neuzählungen in die Wege geleitet werden. Jeder weiß, dass dies in einem demokratischen Rechtsstaat gegeben ist. Außerdem ist es besonders wichtig, dass der Wille der Wähler in den Ergebnissen widergespiegelt wird.

In den USA gibt es hierzu sogar eine Sonderregelung, die besagt, dass neu nachgezählt werden muss, sofern die Differenz der Kandidaten nach der Abstimmung unter 1 Prozent liegt. Dieser Sonderfall war zuletzt bei der Wahl im November 2000 eingetreten. Nachdem der Demokrat Al Gore nach vorläufigen Ergebnissen nur knapp vorne lag, wurde mehrmals neu gezählt und am Ende wurde der Republikaner Bush US-Präsident. Das Szenario wiederholte sich später bei der Regionalwahl in Florida 2018.

Ähnliches trifft auf Deutschland zu. Auch dort werden Einwände ausgewertet und wenn nötig Neuzählungen getätigt. Diese „Kontrollmechanismen" sind notwendig, da Fehler in der menschlichen Natur liegen. Die festgestellten Unregelmäßigkeiten im vorläufigen Ergebnis der Landtagswahl in Hessen mit späterer Korrektur bieten hier ein prägnantes Beispiel. Daher ist es immer notwendig, dass das Ende des Prüfprozesses nach den Wahlen mit Ruhe und Vernunft abgewartet wird.

Neben den unterschiedlichen Aussagen im In- und Ausland, maßen insbesondere die internationalen Medien den türkischen Kommunalwahlen eine gesonderte Bedeutung zu. Es ist nicht zu übersehen, dass die europäischen, und vor allem deutschen Medien, den Ausgang der Wahlen als „Niederlage Erdoğans" zementieren wollten. Der Spiegel und andere Nachrichtenplattformen nutzten hierbei eine deutlich provokante Sprache, die teilweise ins Extreme mündete. Dieses „Wunschdenken", bei dem sich die Erwartungen mit den Gedanken vermischen, und woraus Geschichten einer empfindlichen Niederlage gesponnen werden, offenbart sich uns an vielen Stellen. Schlagzeilen wie „Der Anfang vom Ende" oder „Ende eines Mythos" bringen diesen Geisteszustand offen zutage.

Das deutlichste Resultat der Wahlen vom 31. März kann von keiner gutwilligen Person übersehen werden. Nämlich, dass es die AK-Partei nach einer 17-jährigen Legislaturperiode und 25-jährigen Provinzverwaltung von Istanbul geschafft hat, 44,33% Stimmanteil zu gewinnen – als Wahlbündnis mit der MHP zusammen sogar 51,64%. Dass die Stimmen im Südosten der Türkei zugenommen haben, ist eine weitere Erkenntnis, die aus den Wahlen hervorging. Die kurdischstämmigen Wähler haben der politischen Agenda der HDP mehr und mehr den Rücken gekehrt und sich der AK-Partei genährt. Wichtige Städte mit Symbolkraft wie Şırnak, Bitlis und Ağrı werden nun von der AK-Partei verwaltet - was zugleich den Wandel in der Region zum Ausdruck bringt.

Diese Ergebnisse wurden schon längst als 15. Wahlsieg der AK-Partei ins Register genommen. Dieser Erfolg, der noch nicht mal in der Vorstellung vieler europäischen Politiker möglich zu sein scheint, wird leider vom gleichen Umfeld nicht beachtet und zu überdecken versucht.

Die Leistung, die Präsident Erdoğan bei der Wahl hingelegt hat, verdient es, in einem eigenen Kapitel behandelt zu werden. Erdoğan, der systematisch als „Autokrat" und „Diktator" verteufelt wird, kam in der Wahlkampfperiode in 50 Provinzen und 43 Landkreisen mit den Bürgern zusammen und erklärte vor Ort seine Vorhaben und Ziele. Daher spielt er mit seiner charismatischen und offenen Persönlichkeit natürlich eine entscheidende Rolle beim Wahlerfolg der AK-Partei, die so deutlich als stärkste Partei den ersten Platz belegte – und das bei den vielen Anfeindungen gegen sie. Jene, die ihre Worte für die Zeit nach der Wahl schon vor der Wahl vorbereiten, haben auch diese Bemühungen ignoriert.

In der Wahlnacht hat Präsident Erdoğan eine versöhnliche Balkon-Rede gehalten. Er hat ausdrücklich betont, dass er den Willen der Wähler nicht infrage stellen werde und erklärte, wie wichtig die Ergebnisse für ihn selbst sind. Dass die Partei analysieren werde, welche Botschaft die Wähler vermitteln wollten, um mögliche Defizite herauszufinden und diese auszubügeln.

Nach dieser demokratischen Wahl, die wir nun hinter uns gelassen haben, ist die Türkei in eine 4,5-jährige Periode ohne weitere Abstimmungen eingetreten, die hoffentlich gemeinschaftlich und solidarisch verlaufen wird und sie steht am Anfang dieses progressiven Weges. Die Türkei wird weiterhin die nötigen konstruktiven Reformen ins Leben rufen und sich dabei primär auf Themen wie Wirtschaft und Sicherheit fokussieren, um mit entschiedenen Schritten den Zielen, die für das symbolhafte Jahr 2023 aufgestellt wurden, näherzukommen. Die Türkei wird am Ende dieses Weges durch ihre Bemühungen im In- und Ausland ihre verdiente Stellung in der Region und der Welt anerkannt bekommen.

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