Beheimatet und berufstätig: Tausende glückliche Deutsche in Alanya

KAAN ELBIR @kaanelbir
ALANYA
Veröffentlicht 03.08.2017 00:00
Aktualisiert 03.08.2017 17:10
Ines und Mathias Goldstein

In Alanya sind fast alle Hotels überbucht und die Strände am Tag rammelvoll. Auf fast jeder zweiten Strandliege kann man deutsche Paare oder Familien reden hören – sofern man der deutschen Sprache mächtig ist. Vor Beginn der Sommersaison hatte man vermutet, dass sich die angespannten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei auf den Tourismus auswirken werden, dem scheint aber nicht so zu sein.

Alanya wird manchmal auch, in Anspielung auf die vielen Bewohner und Urlauber aus Deutschland, „klein Deutschland" genannt. Viele von ihnen fühlen sich dort heimisch und betrachten die Türkei mittlerweile als ihre zweite Heimat.

Daily Sabah machte einen Kurztrip zum beliebten Ferienort an der Türkischen Riviera, um mehr über das Leben und die Geschichten der Deutschen in Alanya zu erfahren. Interessante Gespräche sind dabei entstanden.

Türkei: Ein kinderliebes Land

Zunächst trafen wir uns mit dem Paar Ines und Mathias Goldstein. Sie sind die Inhaber der Handwerkfirma „Garaj ve Teknik Center" im Vorort Oba, sie empfingen uns in ihrer Geschäftsstelle.

Ines und Mathias machten ihren ersten Türkei-Urlaub im Jahr 1992. „Vorne das Meer und die Sonne, hinten die Berge und der Schnee", erklärt Frau Golstein. „Es hatte uns so sehr gefallen, dass wir den Urlaub jeweils zu Ostern 93, 94 und 95 wiederholten." Die Türkei sei ein sehr kinderliebes Land und als Frau habe man es besonders gut, denn man könne bis Mitternacht einkaufen.

Heute würden wir die gleiche Entscheidung treffen

Ihre Entscheidung in der Türkei sesshaft zu werden geschah schicksalsbedingt, so wie Mathias erklärt: „Dann im Jahr 1995 hatte ich einen Jobwechsel vor mir: Als der Geschäftsführer eine Niederlassung in Istanbul eröffnen wollte und mir die Stelle als Geschäftsführer anbot", so Mathias Goldstein. „Als ich dieses Angebot erhielt, waren wir gemeinsam in Alanya im Urlaub, nur fünf Tage später entschloss ich mich in die Türkei auszuwandern."

„Die Türkei ist unser zu Hause. Falls ich heute das gleiche Angebot halten würde, wäre meine Antwort erneut ein Ja. Ich bin sehr glücklich die Entscheidung getroffen zu haben", erklärt der 64-Jährige.

Nach einer fünfjährigen Berufstätigkeit in Istanbul, trafen beide gemeinsam die Entscheidung ihr eigenes Geschäft zu eröffnen. „Dafür war Alanya der ideale Ort, denn es gab eine große Marktlücke und wir würden in einem Ort leben, wo andere Urlaub machen." Alanya sei außerdem eine „sehr saubere Stadt".

Heute sei das Geschäft nicht nur in Alanya, sondern an der ganzen Mittelmeerküste sehr bekannt und geschätzt. Sie vermarkten Garagentore, bauen Heizungen an, installieren Alarmsysteme und führen auch Renovierarbeiten durch. Die türkische Sprache beherrschen beide sehr gut.

„Wenn es mal soweit ist und wir in Rente gehen, haben wir auf jeden Fall vor, die Türkei kreuz und quer zu bereisen", erklärt der erfahrene Volkswirt.

„Die Arbeit macht uns zwar sehr viel Spaß, aber es gibt auch ein Leben ohne die Arbeit. Die Türkei ist ein sehr kulturreiches Land, wo es noch viel zu besichtigen gibt", fügt die 55-jährige Ines hinzu.

Die Bevölkerung möchte Frieden und keine Konflikte

Die angespannten Beziehungen zwischen ihrer Heimat und der Türkei möchte Frau Goldstein am liebsten aus der Welt geschafft haben: „Das Volk möchte nur Frieden, Frieden auf der ganzen Welt. Es gibt nichts was die Politiker auf der Welt nicht lösen können."

Zur ausgesprochenen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes sagt Mathias: „Ein Bekannter hat kürzlich Urlaub in der Türkei gemacht. Während seines Aufenthaltes erhielt er andauernd Anrufe von Familienmitgliedern aus Deutschland, wo gefragt wurde, ob sie in Sicherheit wären". Das sei „völlig banal und absoluter Quatsch". Für sie hätte sich weder nach den Anschlägen, noch nach dem Putschversuch irgendetwas geändert. „Wir verbringen weiterhin in Ruhe unsere Zeit, sind absolut sicher und fühlen uns auch wohl hier."

Erst am Sonntag flog Ines aus Deutschland zurück und erzählte uns über die Sicherheitsvorkehrungen an den europäischen Flughäfen: „Wenn ich am Flughafen in Antalya bin, wird mein Koffer sofort am Eingang kontrolliert. Dieselben Sicherheitsmaßnahmen kann ich aber weder in Paderborn, noch in Frankfurt oder Dortmund sehen." Anstatt etwas in der Türkei zu kritisieren, solle man lieber erst vor der eigenen Tür kehren.

Erdoğan trieb das Bildungs- und Gesundheitswesen voran

Ines erzählte auch aus ihrer Zeit in der DDR. Ursprünglich kommt sie aus der Hansestadt Stralsund und musste sich bereits früh in ihrer Kindheit anstrengen und durchkämpfen. „Man sollte immer das System vergleichen. Ich zum Beispiel vergleiche des Öfteren die Bildungssysteme zwischen der DDR und des Westens. Auch Erdoğan brachte das Bildungssystem in der Türkei voran und entwickelte das Gesundheitswesen". Das wichtigste sei, dass es dem Land gut gehe.

Herr Goldstein bekräftigte die wachsende Stabilität des Landes und wies darauf hin, dass er in der Vergangenheit vor dem Einkauf jedes Mal den Wert der Währung kontrollieren musste, damals als die Inflation noch bei 80-90 Prozent gelegen hätte. Heute habe sich das geändert.

Fahrradverleih „Martin Türkay"



Unsere nächste Station war der Fahrradverleih „Martin Türkay". Wir haben uns mit dem Besitzer Martin Bernhart getroffen. „Jeder denkt, ich heiße Martin Türkay, denn so heißt mein Fahrradladen." Unsere Konversation beginnt mit Lächeln auf den Gesichtern. Der 54-jährige Nordrhein-Westfale aus Herdecke, lebt schon seit 1992 in Alanya. Daher lässt er sich auch nicht mehr ‚Ausländer' nennen und bekräftigt: „Ich bin einer von hier, denn ich bin im Sportverein aktiv, ich nehme am öffentlichen Leben teil und ich liebe die Stadt sehr."



Martin Bernhart war Postbeamter als er noch in der Bundesrepublik lebte. Getrieben durch den alltäglichen Stress und der dadurch verursachten Unzufriedenheit, entschied er sich, den wichtigsten Schritt seines Lebens zu machen. „Als ich 1989 als Urlauber in die Türkei kam, verliebte ich mich in das Land, anschließend besuchte ich einen Türkischkurs in Deutschland, dadurch lernte ich die sprachlichen Grundkenntnisse und war bereit in die Türkei auszuwandern.

Hunderte von Sportmedaillen schmücken den Laden

Der 54-jährige Sportliebhaber, der während seiner Anwesenheit in der Türkei bei professionellen Fahrradwettbewerben Hunderte von Medaillen und Pokalen ergatterte, wusste zwar, dass es nicht leicht sein werde, einen Laden in einem fremden Land zu eröffnen, trotzdem wagte er sich und ist heute stolz auf diesen Schritt. „Selbstverständlich gab es bürokratische Schwierigkeiten, aber dank meinem Buchhalter konnte ich die überwinden."

Auf die Frage, ob er es sich in Vergangenheit schon mal überlegt habe, zurückzukehren, antwortet er: „Nein, denn ich hatte keine Lust aufzugeben, was ich in der Türkei aufgebaut habe. Außerdem habe ich durch meine Einwanderung in die Türkei, die Möglichkeit bekommen, meinen Laden mit mehreren Pokalen und Medaillen zu schmücken.

Bernhart sagte, dass er 2015 Sieger der türkischen Triathlonmeisterschaft wurde, den gleichen Titel im Jahr 2016 verteidigte und 2016 erneut den Wettbewerb gewann.

Mindestens zehn Jahre noch in der Türkei

Bernhart erklärte, dass er sehr viel Spaß an seiner Arbeit habe: „Ich habe auf jeden Fall vor, den Laden noch mindestens zehn Jahre zu betreiben und sehe keinen Grund das jetzt aufzugeben. Ich fühle mich in der Türkei sehr wohl."

Freelance-Architektin Fischer

Anschließend treffen wir in einem berühmten türkischen Restaurant Theresa Fischer. Die 43 Jahre alte Architektin lebt seit zehn Jahren in Alanya. Sie erzählt uns, dass sie von zuhause aus als Freelancerin arbeitet. Heute sei ihr letzter Tag in der Urlaubsstadt, denn ab morgen werde sie bis Ende Oktober nach Deutschland reisen. „Um mich in den heißen Tagen abkühlen zu können, muss ich mich jedes Jahr in diesem Zeitraum von Alanya verabschieden", sagte Fischer. Ihr gefalle an der Türkei besonders Klima im Winter, Frühling und Herbst. „Alle meine Freundinnen beneiden mich und bringen das auch immer wieder zum Ausdruck. Und ich mache jedes Mal den gleichen Vorschlag, ‚sammelt euer Zeug und kommt mit in die Türkei'."

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