Ankaras Müllmänner schenken Büchern ein zweites Leben

AFP
ANKARA, Türkei
Veröffentlicht 22.01.2018 00:00
Aktualisiert 23.01.2018 13:17
AFP

Orhan Pamuk, Charles Dickens und J.K. Rowlings sind nur einige der Bücher, die sich in der Bibliothek der städtischen Müllabfuhr in Ankara finden. Das Besondere an der Bücherei: alle Bände wurden aus den Abfalltonnen der türkischen Hauptstadt geborgen, nachdem ihre früheren Besitzer dafür keinen Nutzen mehr hatten. Dank der Initiative einiger städtischer Müllmänner haben sie nun ein neues Zuhause in einer früheren Ziegelfabrik gefunden.

"Bücher lesen fördert den Geist und bringt neue Ideen", sagt der 20-jährige Bibliothekar Eray Yilmaz, der sich um die Ausleihe der inzwischen mehr als 4700 Bücher kümmert. Aufgeteilt sind sie in 17 Kategorien - von Liebesromanen, über Kinderbücher bis zu Wirtschaftsratgebern. Ursprünglich nur für die 700 Müllmänner des Bezirks Cankaya gedacht, ist die Bibliothek heute für alle Nutzer geöffnet - und das rund um die Uhr.

Das kürzlich renovierte Fabrikgebäude ist mit der Bibliothek, einer Cafeteria und einem Barbiersalon zu einem beliebten Ruheort für die Müllmänner geworden. In den Gängen des Backsteinbaus findet man die Arbeiter mit den leuchtend grünen Uniformen in ihren Pausen in Bücher vertieft oder bei einem Tee über einem Schachbrett grübelnd. Alle Bücher sind umsonst erhältlich und können je zwei Wochen ausgeliehen werden.

"Wir haben diesen Büchern, die eigentlich weggeworfen werden sollten, ein neues Leben gegeben", sagt Emirali Urtekin, der die Bibliothek leitet. Die Idee sei aufgekommen, als er mit Kollegen darüber nachgedacht habe, was sie neben der Arbeit noch tun können, sagt Urtekin. Auch eine Percussiongruppe ist dabei entstanden, die auf ausrangierten Mülltonnen und gebrauchten Metallobjekten trommelt.

Sieben Monate nach seiner Gründung hat sich das ungewöhnliche Projekt herumgesprochen und erfährt viel Zuspruch. Der Arbeiter Malik Ercan, der die Bibliothek regelmäßig besucht, berichtet, dass sogar sein Cousin aus der Stadt Sivas vorbeigekommen sei, nachdem er in den Nachrichten von dem Projekt gehört hatte. Auch Freunde seien neugierig geworden und hätten sich für einen Besuch angemeldet.

"Wir kriegen viel Besuch von der Öffentlichkeit, aber auch Spenden", bestätigt der Bibliotheksleiter Urtekin. Einige Unterstützer würden inzwischen sogar Bücher per Post aus anderen Städten schicken. Derzeit warten 1500 Bände darauf, in die Regale einsortiert zu werden, und ständig kommen weitere hinzu. Was nicht mehr zum Lesen taugt, wird als Stütze für die anderen Bücher verwendet.

Die Initiatoren sind nach dem Erfolg der Bibliothek voll Tatendrang. So ist eine mobile Bücherei geplant, mit der sie alle zwei Wochen Schulen besuchen können. Viele Kinder hätten sich an ihn gewandt, da ihre Schulen keine Bibliotheken hätten oder keine große Auswahl an Büchern bieten würden, berichtet Urtekin. "Wir sind glücklich", sagt der Leiter der Bibliothek. "Das Projekt hat uns eine neue Identität gegeben."

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