Istanbuler Gericht erlässt Haftbefehl gegen flüchtigen Can Dündar

DAILY SABAH MIT DPA
ISTANBUL
Veröffentlicht 06.12.2018 00:00
Aktualisiert 06.12.2018 12:44
AFP

Ein Istanbuler Gericht hat einen Haftbefehl gegen den nach Deutschland geflüchteten Ex-Chef der Zeitung „Cumhuriyet", Can Dündar ausgestellt. Das meldete die Nachrichtenagentur Anadolu (AA) am Mittwochabend.

Die Maßnahme auf Anforderung des Istanbuler Generalstaatsanwalts stehe im Zusammenhang mit Ermittlungen zu den Gezi-Protesten von 2013. Damals hatte sich eine relativ kleine Demonstration zu einer landesweiten Protestwelle gegen die Regierung entwickelt, bei der acht Demonstranten und ein Polizist ums Leben kamen.

Später hatte sich herausgestellt, dass in den Staatsapparat infiltrierte Personen der Gülenisten-Terrorgruppe (FETÖ) maßgeblich an der Vereinnahmung und Eskalation der Demonstrationen verantwortlich waren. Sie hatten die Polizei angewiesen, mit entschiedener Härte gegen die Demonstranten vorzugehen – unterstützten und koordinierte jedoch auf der anderen Seite insgeheim die Gezi-Proteste.

Dem Bericht zufolge sieht es der Staatsanwalt als erwiesen an, dass Dündar Verbindungen zu Osman Kavala hatte, den die Regierung für einen Organisator der Gezi-Park-Proteste hält. Er ist unter anderem Vorsitzender des Kulturinstituts Anadolu Kültür, das auch mit dem Goethe-Institut zusammenarbeitet. Kavala sitzt seit mehr als einem Jahr ohne Anklageschrift in türkischer Untersuchungshaft.

Wie Anadolu berichtete, soll Dündar mit Kavala zusammengearbeitet haben, um die Gezi-Park-Proteste zu „organisieren" und „auszuweiten". „Konkrete Beweise" zeigten, dass Dündar „Chaos gestiftet" und „Terroristen ermutigt" habe. Der Staatsanwalt verweise für Beweise auf Einträge in sozialen Medien und Telefongespräche mit Kavala.

Gegen Dündar läuft in der Türkei bereits ein Prozess wegen Terrorvorwürfen. Dabei geht es um diverse Cumhuriyet-Artikel aus dem Jahr 2015, die vertrauliche Informationen illegaler Weise offengelegt hatten. Dabei ging es um eine vom Türkischen Nachrichtendienst (MIT) organisierte Hilfslieferung an die Turkmenen im nordsyrischen Latakia, die zu der Zeit einer Offensive der Assad-Truppen ausgesetzt waren. Der mit Hilfslieferungen beladene LKW wurde jedoch bereits in der Provinz Adana von Gülen-nahen Polizeibeamten gestoppt. Dies schadete dem Ansehen der Türkei und verursachte weitreichende Spekulationen über den türkischen Einfluss im syrischen Krisengebiet. Es folgten unbewiesene Vorwürfe einer angeblichen Unterstützung der Terrororganisation Daesh durch die Regierung.

Dündar war aufgrund dessen am 26. November 2015 zusammen mit dem Leiter des Ankara-Büros von Cumhuriyet, Erdem Gül, zunächst verhaftet – dann aber am 9. März 2016, nach einer umstrittenen Entscheidung, wieder freigelassen worden.

Dündar floh anschließend im Juli 2016 aus der Türkei nach Deutschland. Im September 2017 leitete die Staatsanwaltschaft in der südöstlichen Provinz Diyarbakır erneut ein Haftbefehl gegen Dündar ein. Grund dafür war eine Konferenz am 24. April 2016 im Bezirk Bağlar in Diyarbakır, wo er Propaganda für die Terrororganisation PKK betrieben haben soll. Die Türkei forderte daraufhin von der Bundesrepublik seine Auslieferung.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte zuletzt bei seinem Besuch in Deutschland Ende September die Forderung wiederholt.

Ankara wirft der Bundesrepublik einen Doppelstandard bei der Beurteilung derartiger Fälle vor und kritisiert die Beherbergung und Ehrung Dündars. Erst Anfang des Jahres hatte die deutsche Staatsanwaltschaft zwei Haftbefehle gegen Mitarbeiter eines Rüstungsunternehmens erlassen, weil diese angeblich Staatsgeheimnisse offenbart hätten.

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