Türkei: Syrisches Mädchen kann dank gespendeten Prothesen erstmals selbst laufen

DAILY SABAH MIT AFP
ISTANBUL
Veröffentlicht 10.12.2018 00:00
Aktualisiert 10.12.2018 18:23
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Vor fünf Monaten kroch Maja Merhi auf Konservendosen mühsam durch das Flüchtlingslager Serdschilla. Ihr Vater hatte die Gehilfe gebastelt, damit sich die Kleine in dem Lager im Norden Syriens überhaupt fortbewegen konnte, in dem die Familie seit ihrer Flucht aus der Provinz Aleppo lebt. Seit Samstag läuft und tanzt die Achtjährige durch das Lager - dank richtiger Prothesen, die ihr in der Türkei angepasst wurden.

Wie ihr Vater Mohammed wurde Maja wegen eines Gendefekts ohne Beine geboren. Damit sie sich über den rauhen Boden des Lagers bewegen kann, improvisierte Mohammed für sie eine Art Prothesen aus Konservendosen und Plastikschläuchen. Jede Woche musste er neue basteln, da die Dosen rasch kaputt gingen.

Im Juni waren Fotos um die Welt gegangen, wie Maja sich mühevoll auf ihren Dosen-Prothesen zwischen den Zelten bewegte. Die Reaktionen in den Online-Netzwerken ließen den Türkischen Roten Halbmond auf das Schicksal der syrischen Flüchtlingsfamilie aufmerksam werden. Er lud sie nach Istanbul ein, um echte Prothesen anzufertigen und anzupassen. Auch Vater Mohammed Merhi erhielt welche. Die Kosten übernahm ein Arzt, der ein Video des Mädchens im Internet gesehen hatte.

Nach fünf Monaten ist Maja wieder zurück. In rosafarbenem Pullover und passenden Sneakern geht sie mit ruckartigen Schritten über die steinigen und sandigen Gassen. Als die anderen Kinder sich zu einem Tanz an den Händen fassen, gesellt sie sich dazu.

"Ich habe mich so gefreut, sie laufen zu sehen", sagt Mohammed Merhi, als sie später zusammen in ihrem Zelt sitzen. "Die ganze Familie war froh." Er lächelt glücklich, auch wenn er selbst mit seinen Prothesen noch nicht klarkommt. Stolz und ein wenig schüchtern zeigt die Achtjährige derweil ihre künstlichen Beine, zieht sie aus und wieder an. Auf den Plastikoberschenkeln prangt die türkische Flagge.

"Am Anfang war es schwer, sich daran zu gewöhnen", erzählt ihr Onkel Hussein, der Bruder und Nichte an den Bosporus begleitet hatte. "Immer kroch sie auf ihren Konservendosen - und plötzlich ist sie so groß." Anfangs sei sie wie ein Kind, das Laufen lernt, immer wieder hingefallen, erzählt er. Manchmal nutzt Maja noch Krücken - aber meistens kommt sie ganz ohne Stützen klar.

Maja kennt nichts anderes als den Krieg. Das Leben im Lager dann war durch ihre Behinderung noch schwerer. Nur selten verließ sie früher das Zelt ihrer Familie. Nun ist sie oft draußen mit den anderen Kindern. Und auch wenn der Lageralltag für die Familie hart bleibt, die Prothesen und Majas neue Freiheit haben auch ihr etwas Freude geschenkt.

Die Türkei beherbergt weltweit die meisten Flüchtlinge (drei Millionen) - die meisten davon aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Seit Beginn des syrischen Kinflikts hat das Land rund 25 Milliarden Dollar für die Flüchtlingshilfe ausgegeben. Darüber hinaus engagieren sich auch außerstaatliche Hilfsorganisationen bei der Arbeit mit Menschen in Not.

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