Terror-Klage: „Cumhuriyet“-Prozess beginnt in Istanbul

DAILY SABAH MIT AGENTUREN
ISTANBUL
Veröffentlicht 24.07.2017 00:00
Aktualisiert 24.07.2017 17:18
AP

17 Mitglieder des Vorstands und Journalisten der Tageszeitung „Cumhuriyet" stehen ab Montag in Istanbul vor Gericht.

Zwei der Angeklagten sind auf der Flucht, während elf von ihnen in Untersuchungshaft sind. Sechs Weitere wurden vor dem Prozess freigelassen.

Vor dem Prozessbeginn versammelte sich eine Gruppe Menschen vor der dem Gerichtsgebäude in Çağlayan, darunter Abgeordnete, Journalisten, Aktivisten und einige Leser der Cumhuriyet. Eine weitere Gruppe versammelte sich vor dem Hauptgebäude der Zeitung in Şişli und lief um 9:00 Uhr in Richtung Gerichtsgebäude.

Laut der 324-seitigen Anklage der Staatsanwaltschaft wurde die Cumhuriyet von der Gülenisten-Terrorgruppe (FETÖ) unterwandert. Die FETÖ ist verantwortlich für den Putschversuch des vergangenen Jahres, wo fast 250 Menschen getötet wurden. Die Verantwortlichen der Zeitung und die Verdächtigen haben die Vorwürfe zurückgewiesen.

Der Großteil der Beweise besteht aus Beiträgen in Sozialen Medien und an die Zeitung gerichteten Vorwürfen, dass das Personal Kontakte mit Bylock-Usern hatte. Bylock ist eine App, die ausschließlich von FETÖ-Mitgliedern genutzt wird und die zur Verschlüsselung der Nachrichten diente.

Der ehemalige Chefredakteur der Cumhuriyet, Can Dündar, wurde als Hauptverdächtiger genannt. Dündar ist auch Verdächtiger beim Spionage-Prozesses bezüglich der Veröffentlichung von vertraulichen Informationen des „Nationalen Geheimdienstes" (MIT) im Jahre 2014. Aufgrund seiner Flucht nach Deutschland, wird das Verfahren gegen ihn in seiner Abwesenheit geführt.

Im Mai 2016 wurde Dündar zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, während der Ankara-Chef von Cumhuriyet, Erdem Gül, zu fünf Jahren und sechs Monaten aufgrund der „Veröffentlichung geheimer Dokumente" verurteilt wurde. Das Berufungsverfahren wird beim Obersten Berufungsgericht weitergeführt.

Die Anklagen gegen die Verdächtigen wirft den Verdächtigen die „Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation" vor und die „Beihilfe einer bewaffneten terroristischen Organisation".

Die Staatsanwälte fordern zwischen 7,5 und 15 Jahren Haft für Dündar, Chefredakteur Murat Sabuncu, Vorstandsmitglied Kadri Gürsel, Aydın Engin, Bülent Yener und Günseli Özaltay für die „Beihilfe einer terroristischen Organisation".

Sabuncu und weitere leitende Angestellte sind seit ihrer Festnahme im November in Untersuchungshaft.

Der Geschäftsführer Akın Atalay, Mehmet Orhan Erinç und Önder Çelik wird ebenfalls aufgrund der „Beihilfe" einer Terrororganisation und dem „Missbrauch des Vertrauens" von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Man fordert zwischen 11,5 und 43 Jahren Haft.

Bülent Utku, Karikaturist Musa Kart, Hakan Karasinir, Mustafa Kemal Güngör und Hikmet Aslan Çetinkaya werden in den gleichen Punkten angeklagt, wobei man für sie zwischen 9,5 und 29 Jahren Haft verlangt.

Darüber hinaus verlangt die Staatsanwaltschaft zwischen 7,5 und 15 Jahre für Journalist Ahmet Şık aufgrund der „Beihilfe und Mitgliedschaft in der PKK und der DHKYP/C". Şık ist der Autor des Buches „Imamın Ordusu" (Die Armee des Imams), das das FETÖ-Netzwerk im Staat aufdeckte und als Beweismittel für die Putsch-Prozesse genutzt wird. Er wurde auch als ein Verdächtiger während der Anklagen gegen den scheinbar geplanten Ergenekon-Putschversuch, der sich als Lüge entlarvt hatte. Die Anklagen basierten auf falschen und gefälschten Beweisen die von FETÖ-verbundenen Staatsanwälten vorgelegt wurden.

Die Cumhuriyet wurde 1924 gegründet und ist somit die älteste noch druckende Zeitung in der Türkei. Sie gilt als einer der Flaggschiffe der türkischen Presse.

Die Zeitung hatte lange Zeit eine kemalistische und linksrepublikanisch orientierte Redaktion, die in verschiedenen Perioden auch einen nationalistischen Ton verfolgte. Doch in den letzten Jahren reagierte die übliche Leserschaft irritiert, als die Zeitung ihre Unterstützung für die PKK-nahe „Demokratische Partei der Völker" (HDP) kundgab.

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